Rudolf Stibill
Leben und Werk
1924
"So erblickte ich in Graz, Am Damm 4, dritter Stock
links,
am 30. Juli 1924, das Licht dieser Welt." ("Stimmen des Ungewissen", Seite 15)
1929
Erster Besuch und Beginn der großen Liebe zur
Großmutter
am Dietrichsteinplatz.
1930
Einschulung in die Evangelische Volksschule am Kaiser Josef Platz.
1934
Tod der Großmutter.
Rudolf
Stibill wechselt in das zweite Bundesrealgymnasium für Knaben in der Pestalozzistraße
über. Freundschaft mit Willy Strohmeyer, Walter Klasinc, Walter Schlorhaufer.
Prof. Hugo von Kleinmayer wird auf seine Begabung aufmerksam
1941
Er schreibt seine ersten Gedichte, von denen vorerst nur die Freunde erfahren.
1942
Am 10. März
maturiert Stibill.
Fast
alle Klassenkameraden werden noch am gleichen Tage in Viehwagons an die Front
gebracht. Stibill ist mit 17 1/2 Jahren noch nicht wehrerfaßt. Als er 18 Jahre alt ist, stellt man
fest, daß er laut Paß seiner Mutter (sie ist in Cilli geboren) Jugoslawe ist. Er wird Ende des
Jahres als Kranführer in die Maschinenfabrik Andritz kriegsdienstverpflichtet.
1943
wird ihm die deutsche Staatbürgerschaft zuerkannt, aber immer wieder wird er wegen
schlechten Gesundheitszustandes vom Wehrdienst zurückgestellt.
1944
Tod der Mutter als er gerade in Pettau (Ptui) zu Erholung ist.
In
Pettau Anregung zur "Gesungenen Sage von Orpheus und Euridike". Im August
wird er mit einem Volkskundler und einem Oberlehrer zur Vermessung alter Bergbauernhöfe
nach Tirol und Kärnten geschickt. Er nennt sie die Allerheiligenhöfe. Begegnung mit
Pater Clemens
im Kinderdorf St. Anton in Bruck an der Glocknerstraße.
1945
Hans von Hellmer bekommt vom Vater Gedichte Stibills zur Beurteilung und veröffentlicht
am 15. Juli in der "Neue Steirische Zeitung" die "Weiße Rose". Stibill
nimmt das Gedicht 1947 in die "Vox Humana" auf. Am 25. Juli hat er die erste
öffentliche Lesung im Kammermusiksaal in Graz, zusammen mit dem ersten öffentlichen
Aufführen von Werken des Komponisten Rudolf Weishappel, mit dem er von jetzt ab in
Freundschaft verbunden ist.
1946
Sein Puppenspiel "Gottlieb und Primula" wird, mit Musik von R. Weishappel, von
der "Sendergruppe Alpenland" gesendet.
Er wird
Mitherausgeber der Zeitschrift "Austria". In ihr erscheint "Der Weiler Gottes", eine
Erzählung, in der seine Erlebnisse im Kinderdorf St. Anton und mit Pater Clemens verarbeitet
sind. Die Zeichnung zu dieser Erzählung stammt von Eva Trieb, Malerin und Frau des Malers
Siegfried Trieb.
1947
Zwei Monate vor seinem Tod malt Siegfried Trieb
Rudolf Stibill.
Nach dessen Tod sorgt Stibill für die kleine Familie, deren älterer Sohn, Johannes, ihm
Freund, Bruder fast ist, der jüngere, Michael, wie ein Sohn. Für Michael schreibt er die
Kindergedichte vom König aus Sonnenstadt.
Beim Verlag
Pustet erscheint die "Vox Humana", sein erster Lyrikband, mit einer Vignette von Fritz
Silberbauer. Intensive Verbindung mit der Sezession Graz, Freundschaft mit vielen Malern, u. a. mit
Hugo von Schönborn,
dem surrealistischen Maler, der die Grundfigur seines "Roman Sürtiker" ist.
1950
Stibill begegnet auf der Dichtertagung in St. Veit a. d. Glan Christine Lavant.
Er ist von ihr so beeindruckt, daß er sein Leben lang von ihr spricht.
Eine kleine Erbschaft ermöglicht die erste große Reise (nach Frankreich), die er mit Eva
Trieb zusammen unternimmt.
1951
Möchte Otto Müller in Salzburg die "Allerheiligenhöfe"
veröffentlichen, die Gedichtsammlung, in der die Erlebnisse auf der Wanderung durch das obere
Mölltal und durch Kärnten kurz vor Ende des Krieges verarbeitet sind. Stibill zieht das
Manuskript zurück und gibt "Die köstliche Flamme" dafür, eine Sammlung,
die er mit Eva Trieb zusammengestellt hatte.
1953
Teilnahme an den Dichtertagen in Pürgg.
Stibill wird freier Mitarbeiter des Studios Steiermark der "Sendergruppe Alpenland".
Beginn der Freundschaft mit Alfred Holzinger.
Er schreibt regelmäßig Gedichte, Geschichten und Hörspiele für Kinder, die dann
gesendet werden. Im Juli bekommt er vom Amt der steiermärkischen Landesregierung den
Peter-Rosegger-Förderungspreis.
1954
Auflösung der Lebensgemeinschaft mit der Familie Trieb, die nach Stuttgart
übersiedelt.
Weiterer Besuch der Pürgger Dichtertage
Im November
gibt Stibill eine Gastepoche "Goethe und seine Zeit" im Deutschunterricht der Oberstufe
in der freien Waldorfschule in Rendsburg in Schleswig-Holstein und entschließt sich dort als
Lehrer tätig zu werden.
1955
Im März übersiedelt er nach Rendsburg, wo er ab jetzt 33 Jahre lang Deutsch,
Kunstgeschichte, Musikgeschichte, Latein und
Architektur
unterrichtet.
1956
Rudolf Stibill wird als Vertreter Österreichs zum internationalen Lyrikwettbewerb nach
Knokke le Zoute (Belgien) entsandt.
1957
Besuch des Vaters in Rendsburg
1958
erscheinen im Leykam-Verlag, Graz, Erzählungen. Die Titelgeschichte "Der Knabe und das
Meer", die dem Buch den Namen gibt, geht auf den Tod Ingos zurück, der ein Schüler
der Rendsburger Schule war.
Tod des Vaters.
1963
Bei der Vorstellung ihres Sohnes Conrad für die 7. Klasse der Waldorfschule Rendsburg lernt
Stibill Frau Elisabeth Valett kennen, die Tochter des Hamburger Dichters Dirks Paulun.
1964
Bis zu diesem Jahr werden immer wieder Texte
Stibills
im ORF gesendet. "Leute aus Sonnenstadt", Gedichte hauptsächlich für Kinder,
erscheinen im Verlag für Jugend und Volk.
Hilda, die Schwester der Mutter, und ihr Mann Fritz Salfer, kaufen in Jennersdorf im Burgenland
ein altes Winzerhaus. Stibills häufige Aufenthalte dort führen dazu, daß sie es
"Dichterklause" nennen.
1965
Im Oktober begegnet er in Berlin der Kindergärtnerin Gisela Hardt.
1966
In den Herbstferien erster längerer Aufenthalt im Winzerhaus in Jennersdorf.
1968
Rudolf Stibill heiratet Elisabeth Valett.
1970
Es entstehen die ersten Gedichte zu einem Zyklus, den er später "La ville Imaginaire"
nennen wird.
Frau Hardt wird um Mitarbeit im Kindergarten der Schule gebeten und übersiedelt mit ihren zwei
Kindern nach Rendsburg.
1973
Elisabeth Stibill-Paulun wird bewußtlos in eine Klinik eingeliefert, in der sie wenig später stirbt.
Tod auch Christine Lavants.
Es entstehen die Erinnerungsgedichte, von denen später einige in den "Markierungen des
Lebens" erscheinen.
1975
Rudolf
Stibill
stellt eine Gedichtfolge zusammen, die als "Markierungen des Lebens" im Verlag Styria erscheinen.
Erster Besuch seit seiner Übersiedlung nach Deutschland bei dem Freund Alois Hergouth in dessen
"Schwalbennest"- Wohnung in der Moserhofgasse in Graz.
1977
Im Oktober auf der Fahrt nach Graz kommt es zum ersten Luftnotanfall und Lebensgefahr.
Es wird ein Lungenemphysem diagnostiziert. Nach Intensivstation- und Krankenhausaufenthalt
kann er erst im Januar
1978
wieder unterrichten. Es entstehen weitere "ville imaginaire" Gedichte.
1981
Tod Fritz Salfers.
1983
Tod der Tante Hilda (Salfer).
Die
Wohnung "Am Damm 4, dritter Stock links", die noch immer unter Stibills Namen gemietet
gewesen war (Hilda und Fritz Salfer hatten sie bewohnt), wird aufgegeben.
Die Möbel kommen ins Haus im Burgenland, in die
"Dichterklause"
nach Jennersdorf.
Rudolf
Stibill heiratet Gisela Hardt.
1985
Der Schauspieler und Freund Stibills, Hans-Christian Hoth, bearbeitet die Gedichte der "ville
imaginaire" und Sürtiker-Texte, und gestaltet daraus ein Bühnenstück.
Bis heute sind die Aufführungen in Deutschland und Österreich ein großer Erfolg.
Immer
häufigere Luftnotzustände erschweren Stibill das Leben. Es werden stärkere Medikamente
nötig, auch Klinikaufenthalte.
1987
Erste Begegnung mit Dr. Heinz Hartwig im ORF Studio Steiermark.
Hartwig bittet Stibill zu schreiben "wie Sie geworden sind was Sie sind".
Er schreibt die "Stimmen des Ungewissen".
1988
Der fortwährend sich verschlechternde Gesundheitszustand machen die Frühpensionierung
nötig. Rudolf Stibill scheidet zum Abschluß des Schuljahres aus dem Schuldienst aus.
1989
werden die "Stimmen des Ungewissen" im ORF gesendet, der Sprecher ist Otto David.
1990
Die zweite Auflage der "Leute aus Sonnenstadt" erscheint im Urachhaus-Verlag in Stuttgart.
1991
Wieder längerer Krankenhausaufenthalt in einer Spezialklinik. Deutliches Abnehmen seiner
physischen Kräfte.
In Graz
begegnet er Ingrid Knaus, die ihre Magisterarbeit über ihn schreibt.
1992
Der Verlag Styria bringt die "Stimmen des Ungewissen" heraus.
Die Einbandgestaltung und eine weitere Zeichnung ist von Anna Rogler-Kammerer.
1993
Stibill schreibt an dem zweiten Band der Autobiographie.
Die
Magisterarbeit
der Frau Knaus ist fertig. Stibill, der Frau Knaus schätzen gelernt hatte
lädt sie ein, so oft sie möchte ihn in Norddeutschland zu besuchen.
Die
Germanistikstudentin und ehemalige Schülerin Stibills, Frau Anja Ross, teilt ihren Entschluß
mit, ihre Doktorarbeit über seine Gedichtfolge "Die Allerheiligenhöfe" zu schreiben.
1994
erscheint "La ville imaginaire" im Verlag Engel und Co. in Stuttgart in einer begrenzten Auflage
von 500 Stück. Rudolf Stibill beginnt diese besondere Ausgabe zu numerieren und zu signieren.
Wie in
all den Jahren zuvor wurde auch in diesem Sommer - nur noch festlicher als sonst schon
immer - sein Geburtstag im Hause der Freunde, der Familie Müller in Graz, gefeiert.
Weil es der 70. Geburtstag ist, wird auch eine Feier in Rendsburg geplant.
Am Erntedanktag kommen 270 Gäste, Freunde und ehemalige Schüler aus 5 Ländern, und feiern
ihren Lehrer. Manche kommen am Nachmittag, manche am Abend, viele bleiben den ganzen Tag.
Abends,
das Festprogramm, wurde nur von den Gästen gestaltet: Vom "Musikalischen Opfer"
über Gesang, Puppenspiel, Klavierspiel zu vier Händen, Tanz und Theater waren alle
Kunstgattungen auf der Bühne vertreten. Als um fast Mitternacht die Veranstaltung zuende
war, fühlte sich jeder, nicht nur Stibill, als der Beschenkte. Die Geburtstagsgabe aller Gäste an
Stibill: eine 10 Tage-Reise nach Rom, die er vier Tage später schon antrat.
Im
November, nach über 40 Jahren, Wiederbegegnung mit der Witwe seines Jungendfreundes
Hugo, Eleonore Gräfin Schönborn.
1995
Am 30. Januar stirbt Rudolf Stibill in Ostenfeld bei Rendsburg in dem
Haus,
in dem er in den letzten Jahren gelebt hatte. Das Haus steht seit 2012 unter Denkmalschutz.
Sein
Grabstein
steht inzwischen auf einem Privatgrundstück in Ostholstein.
Mit Hilfe der Rudolf Stibill Gesellschaft lebt das Werk weiter
Graz
Graz ist mein Prag, mein Dublin, eine Krankheit,
die auch nicht aufhört nach fast zwanzig Jahren
auf meinem Landstrich, den ein Knabe
mit einem Steinwurf vom Nord-Ostseekanal
zur Eider - einem stagnierenden und schilfumrandeten
Gewässer, das sich durch weite und grünende Ebenen
mit Widerstreben zur Nordsee schlingt - überbrückt.
Und Graz ist - Kindheit und Jugend - ein Mythos,
die Zukunft dessen, was Stadt ist:
Zusammenspiel vieler Personen in vielen Cafés
Aus: "Markierungen des Lebens"
Styria Verlag, Graz
Seite 84
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Bild von Dr. Ingrid Knaus, 1999
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Unser ausdrücklicher Dank
geht an die Malerin Frau Dr. Ingrid Knaus, mit der wir gern zusammengearbeitet haben, und deren
Magisterarbeit der Biographie zugrunde liegt! Dank auch an Frau Dr. Annette Steinsiek.
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